Serbiens wichtigster Energieversorger, das staatliche Unternehmen Elektroprivreda Srbije (EPS, Stromwirtschaft Serbiens), will seine Investitionen in den kommenden Jahren hoch halten. Deren Schwerpunkte und wichtigste Vorhaben stellten führende Vertreter des Stromkonzerns auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Deutsch-Serbischen Wirtschaftsvereinigung und des AußenwirtschaftsCenter Belgrad der Wirtschaftskammer Österreich am 19.2.13 vor.
Der mittelfristigen Entwicklungsstrategie von EPS zufolge sollen von 2013 bis 2017 mehr als 6,5 Mrd. Euro in neue Kapazitäten zur Energieerzeugung sowie in zahlreiche Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen fließen. Inwieweit es dem Unternehmen gelingen wird, diese Pläne umzusetzen, bleibt jedoch abzuwarten. Dreh- und Angelpunkt dürfte dabei sein, ob für bestimmte Vorhaben namhafte internationale Partner zu gewinnen sein werden. Diese einzubinden halten Beobachter für zwingend, um die Finanzierung gerade von Großprojekten sichern zu können.
Gemischte Gefühle löst bei EPS derzeit die voranschreitende Liberalisierung des serbischen Strommarktes aus. Für 2013 erwartet das Unternehmen einen negativen Cashflow in Höhe von etwa 50 Mrd. Serbischen Dinar (RSD; umgerechnet 449 Mio. Euro). Die Lage des Unternehmens bezeichnete der erst seit Herbst 2012 amtierende Generaldirektor von EPS, Aleksandar Obradovic, angesichts dessen als “gravierend”. Gleichwohl machte der Hauptgast des deutsch-österreichischen Gemeinschaftsevents deutlich, dass er den Wettbewerb, der sich in nächster Zeit verschärfen wird, nicht fürchtet, sondern diesen als Herausforderung empfindet.
Obwohl die Liberalisierung des serbischen Strommarktes bereits durch das 2004 verabschiedete Energiegesetz angestoßen wurde, ist die Marktöffnung erst zum Jahresanfang 2013 und nur für eine erste Gruppe großer Endkunden eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt sind landesweit etwa 30 Unternehmen, die über einen direkten Anschluss an das Hochspannungsnetz verfügen, aus der zentralen Preisregulierung herausgefallen.
Von der Möglichkeit, sich unter den auf dem Markt bereits aktiven Stromhändlern eine Alternative zum ehemaligen Monopolisten EPS auszuwählen, wurde bisher jedoch nur äußerst zögerlich Gebrauch gemacht. Bis Mitte Februar 2013 soll erst in einem Fall ein derartiger Wechsel auch vollzogen worden sein. So hat der Hersteller technischer Gase, Messer Tehnogas ad, EPS mit Wirkung vom 8.2.13 den Rücken gekehrt und deckt seinen Strombedarf seitdem über den slowenischen Stromtrader GEN-I.
Die serbische Tochter der in Bad Soden beheimateten deutschen Messer Group zählt auf dem lokalen Strommarkt zu den Großverbrauchern. Messer Tehnogas unterhält landesweit mehrere Werke zur Produktion von Acetylen, Wasserstoff, Kohlendioxid und anderen Spezialgasen, betreibt zudem eine Reihe von Luftzerlegungsanlagen und verfügt über ein Netz von etwa 80 so genannten Gasecentern. In einer Pressemitteilung beziffert GEN-I den Anteil seines neuen Kunden am Stromverbrauch aller serbischen Unternehmen mit Zugang zum Hochspannungsnetz auf etwa 5%.
Zwar könnten einige Großkunden, die bisher noch vertragslos dastehen und daher vorläufig von EPS weiter zu versorgen sind, dem Beispiel von Messer Tehnogas folgen. Das Gros der potenziellen Kandidaten für einen Anbieterwechsel konnte sich jedoch mit dem staatlichen Versorger über neue, zumeist ein Jahr laufende Lieferverträge einigen.
Dies dürfte dem Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit geben, um neben mehreren Neubauprojekten, die in den nächsten Jahren starten sollen, auch umfangreiche Investitionen in den Erhalt und die Erneuerung bereits vorhandener Anlagen anzugehen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die bessere Umweltverträglichkeit. Größere Mittel aus dem aktuellen Modernisierungsbudget will EPS etwa in zeitgemäße Entschwefelungsanlagen stecken.
Um den steigenden Strombedarf im Land und in der Region langfristig decken zu können, wird eine Reihe von Neubauvorhaben realisiert werden müssen. Als besonders wichtig stellte Milos Stojanovic, der bei EPS die Direktion Strategie und Investitionen leitet, beispielsweise den Bau von drei neuen Blöcken für mit einheimischer Braunkohle befeuerte Wärmekraftwerke heraus. Im Fall des Kraftwerks Nikola Tesla B steht ein etwa 740 MW starker Block zur Debatte mit einem Investitionsbedarf von geschätzt 1,6 Mrd. Euro. Die Kosten für den Neubau eines 350-MW-Blocks für das Kraftwerk Kostolac B sind aktuell mit rund 600 Mio. Euro veranschlagt.
Während EPS für beide Projekte noch nach strategischen Partnern Ausschau hält, scheint diese Frage bei zwei geplanten neuen Blöcken mit einer installierten Leistung von insgesamt 750 MW für das Wärmekraftwerk Kolubara B bereits gelöst zu sein. Um dieses Vorhaben voranzubringen, ist EPS bereits Mitte 2011 ein Joint Venture mit dem italienischen Energieunternehmen Edison eingegangen. Die Gesamtkosten des Vorhabens belaufen sich auf 1,5 Mrd. Euro.
Darüber hinaus wird die Erschließung des neuen Tagebaus Radljevo mit angestrebten Fördervolumen von 13 Mio. t Braunkohle pro Jahr vorangetrieben. Das etwa 700 Mio. Euro teure Unterfangen soll dem Konzern langfristig den Brennstoffnachschub aus eigenen Quellen für seine Stromproduktion weitestgehend sicherstellen. Auch plant EPS seit längerem eine Kraft-Wärme-Kopplung-Anlage (KWK) in Novi Sad. Das mit Gaskraftwerk (Kosten: 450 Mio. Euro) ist im Strommodus auf eine Maximalleistung von 450 MW ausgelegt, im Wärmemodus auf 350 MW.
Darüber hinaus verfolgt das Unternehmen den weiteren Ausbau der Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Wasserkraft. Zu den wichtigsten Vorhaben zählen neben dem Pumpspeicherwerk Bistrica mit einer Leistung von 680 MW auch zwei mehrgliedrige Kraftwerksketten an den Flüssen Velika Morava und Ibar mit 150 und 117 MW. Die Verwirklichung der beiden letztgenannten Vorhaben dürfte im Rahmen von Gemeinschaftsunternehmen mit internationalen Partnern erfolgen – das Velika-Morava-Projekt unter Beteiligung des deutschen RWE-Konzerns, das am Fluss Ibar mit Seci Energia aus Italien.
Im Bereich kleine Wasserkraftwerke strebt EPS zudem an, 15 bereits bestehende Anlagen technisch grundlegend zu überholen. Im Ergebnis soll die installierte Gesamtleistung von ursprünglich 17,8 auf etwa 23,2 MW erhöht werden. Darüber hinaus strebt das Unternehmen an, sieben bereits existierenden Staustufen mit der entsprechenden Technik zu kleinen Wasserkraftwerken mit einer Gesamtleistung von 13,3 MW aufzurüsten.
Die Gesamtkosten für die im Rahmen dieser Vorhaben anfallenden Arbeiten und zu beschaffenden Ausrüstungen belaufen sich auf rund 54 Mio. Euro. Den Hauptteil der Finanzierung stellt eine Kreditlinie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) an EPS in Höhe von 45 Mio. Euro sicher. Ausschreibungen zu Beschaffungsmaßnahmen im Rahmen dieses Projekts sind bis etwa Mitte Juni 2013 zu erwarten.
Neben seinen Plänen für konventionelle und Wasserkraftwerke denkt EPS des Weiteren daran, verstärkt die Windkraft und Müll zur Stromgewinnung zu nutzen. So stehen beispielsweise zwei Windparks mit 30 und 5 MW Leistung in Kostolac und Cajetna mittelfristig genauso auf der Agenda wie zwei Projekte zur Verstromung von Hausmüll in den Einzugsgebieten der Städte Uzice und Kragujevac.
Source GTAI